"Sollte man
mich fragen, warum ich ein verhinderter Billard-Champion bin, würde ich
antworten: weil ich ein verhinderter Schach-Champion bin. Tatsächlich
sind Schach und Billard wesensverwandt, was sich unter anderem dadurch
erweist, dass die meisten großen Schachspieler Billard spielen. Die
großen Billardspieler hingegen spielen kein Schach: es ist ihnen zu
leicht. Womit ich nicht gesagt haben will, dass es einfacher ist,
Schachweltmeister als Billardweltmeister zu werden. Auffallend ist aber,
dass es mehr Meisterschaften am Schachbrett als am Billardtisch gibt.
Das Spiel mit den Kugeln wird unterschätzt. [....] Im
Gegensatz zum Schach, dem ich seit frühester Jugend in unverbrüchlicher
Treue anhänge, ist Billard eben nicht nur ein immens komplexer
Gehirnsport. Man ist leider auch genötigt, das Gedachte mit Stock,
Kreide, Kugeln und einer bleiernen "Bockhand" (das ist, bei
Rechtshändern die Linke, die mit der Ruhe eines Urgesteins auf den Tisch
gesetzt werden muss, damit die Rechte den kalkulierten Stoß auf die
Kugel ausführen kann) in Handlung umzusetzen. Wer hätte je davon gehört,
dass ein Schachspieler eine Partie verloren hat, weil er unfähig war,
die Dame vom Feld C5 abzuheben und auf Feld C7 abzusetzen? [....] Um das
klarzustellen: wenn ich von Billard spreche, spreche ich von "Carambolage".
Das ist Billard mit drei Kugeln ohne Löcher. Man hat die eigene Kugel so
zu stoßen, dass sie die Kugel des Gegenspielers sowie die neutrale rote
Kugel trifft. Wenn einem das misslingt, ist der Gegenspieler dran.
Klassespieler sind mittlerweile so gut geworden, dass sie das
zehntausend mal hintereinander schaffen, so dass das Spiel gänzlich
uninteressant wird. So hat man schließlich das Dreiband-Billard erfinden
müssen, bei dem es darum geht, die eigene Kugel so zu bewegen, dass sie
insgesamt dreimal die Bande berührt, ehe sie die gegnerische und die
neutrale Kugel touchiert. Das ist die Königsdisziplin. Sie ist so
schwer, dass selbst die besten Spieler es nur selten schaffen, zweimal
hintereinander einen Stoss durchzuführen. [....] Dem allem
ist zuzufügen, dass Billard, entgegen seinem Ruf als Entertainment für
gesellschaftliche Außenseiter, ein überaus nobler Sport ist. Gegner am
Tisch neigen dazu, einander für gelungene Stöße Beifall zu spenden. Der
psychologische Krieg, den Schachspieler einander am Brett liefern,
findet beim Billard nicht statt. Gewiss: auch beim Billard hat ein
Spieler die Möglichkeit, wenn ihm denn die Kugeln ein nahezu
hoffnungsloses Bild liefern, den Stoss so zu führen, dass auch der
Gegenspieler mit seiner Aufgabe seine liebe Mühe haben wird. Der
Gegenspieler wird das aber als Anerkennung seiner Klasse schätzen. Billard,
entgegen anders lautenden Gerüchten, ist kein Ganoven-Spiel. Es wäre
denn, dass der Gentleman aus der Ganoven-Ehre lernen kann."
Der bekannte Satiriker über Carambol-Billard anlässlich des
Billard-Weltcups 1987 in Berlin |