4. Weltmeisterschaft Dreiband der Damen von 21. - 23. November 2012 in Tokio (Japan)

Die Fachzeitschrift "billard" (Nr. 250, Originaltext) berichtete:

1999 gab es das erste interkontinentale Damenturnier im Dreiband. 8 Spielerinnen waren am Start, und es gewann die Japanerin Orie Hida, die in den nächsten zur herausragenden Spielerin werden sollte. Hida spielte beim „Ladies World Masters“ in Heemstede (NL) mit 1,080 GD, 1,785 BED und einer Höchstserie von 10 bis heute unerreichte Werte.
2002 wurde im spanischen Gandia die „World Challenge“ ausgetragen, diesmal mit bereits 16 Spielerinnen, und wieder gewann Orie Hida.
2004 war es soweit, die 1. offizielle Weltmeisterschaft der Damen ging in Valencia (E) vom Start. Diese und auch die beiden nächsten, 2006 in Hoensbroek (NL) und 2008 in Sivas (T) wurden eine sichere Beute der zierlichen jungen Dame aus Japan. Der Plan war, die Damenweltmeisterschaften im Jahreswechsel mit den Juniorenweltmeisterschaften auszutragen, was mit den Ausspielungen 2004, 2006 und 2008 auch funktioniert hat. Dann kam der Unterbruch, und es dauerte 4 Jahre, ehe sich die Japaner zu einer Durchführung aufraffen konnten. Irgendwie waren sie auch in einer moralischen Bringschuld, denn sie stellten immer die Weltmeisterin und zusätzlich drei weitere Medaillengewinnerinnen, nahmen also die Hälfte aller Podiumsplätze in Anspruch. Exweltmeister Ryuuji Umeda hatte die 4. WM in Japan angekündigt, er fungierte auch als Turnierdirektor.
In der Zwischenzeit hatte sich einiges getan. Orie Hida, der weibliche Superstar im Dreiband, hatte ihre sportlichen Aktivitäten aus welchen Gründen auch immer stark eingeschränkt, und in Europa war mit Therese Klompenhouwer eine tolle Spielerin immer stärker in den Vordergrund getreten. Für sie ging es laut eigener Aussage in Tokio ausschließlich um Gold und sonst gar nichts. Ehrfurchtsvoll lauschte die Welt dieser Ansage und alle erwarteten ein Finale zwischen der dreifachen Weltmeisterin und ihrer klar stärksten Herausforderin.
Es sollte ein wenig anders kommen.

Gruppe A:
Als Orie Hida ihr erstes Spiel sang- und klanglos verlor, wusste man nicht, woran man war. Das zweite Match gewann sie allerdings gewohnt souverän und auf hohem Niveau, es schien sich also im ersten Spiel nur um einen Ausrutscher gehandelt zu haben. Dann kam das Drama gegen Jetten im letzten Spiel, als Hida unbedingt volle Partiepunkte benötigt hätte, um das Viertelfinale zu erreichen, und um einen Punkt verlor – die Sensation war perfekt, die dreifache Weltmeisterin und Gewinnerin der beiden Interkontinentalturniere zuvor hatte die Gruppenphase nicht überstanden!
Der Weg schien damit für Klompenhouwer frei, Hida war draußen und eine andere ernsthafte Konkurrentin glaubte man nicht zu sehen. Gesehen hat man aber etwas anderes, nämlich eine völlig verunsicherte Favoritin, die wohl Gruppensiegerin wurde, aber in keiner Phase an jene Spielerin erinnerte, die sich in den Niederlanden ziemlich regelmäßig für die Mastersteilnahme bei den Herren qualifiziert. Die Gruppe war nicht allzu anspruchsvoll, dennoch musste Klompenhouwer ein Unentschieden hinnehmen.

Gruppe C:
Die Türkin Gülsen Degener, sie lebte lange Jahre in Berlin und ist erst vor kurzem mit Mann und Kind wieder nach Istanbul gezogen, gehört zu den bekanntesten und besten Spielerinnen Europas. Das war in diesem Turnier nicht viel wert, nach zwei Niederlagen war der Käse gegessen und die gelungene Rehabilitation im letzten Spiel änderte daran auch nichts mehr, der Zug ins Viertelfinale fuhr ohne sie ab. Blickt man auf die Leistungen in dieser Gruppe, dann hat ihr Ausscheiden durchaus seine Richtigkeit, mehr wie ein dritter Platz war es einfach nicht für Degener.

Gruppe D:
In dieser Gruppe wurde es für Österreich so richtig interessant, denn hier war unsere Vertreterin zugange. Helga Mitterböck, die 3. der letzten Europameisterschaft, war aufgrund ihrer Weltranglistenposition entsendet worden und fand eine halbwegs brauchbare Auslosung vor. Das erste Spiel ging nach feiner Leistung verloren, aber die Art und Weise ihres Spiels ließen die Hoffnungen keineswegs schwinden. Wollte sie im Rennen um einen Platz im Viertelfinale bleiben, musste allerdings jetzt zwingend ein Sieg gegen die Dänin Mortensen her, die vielleicht schwächste Spielerin dieser Gruppe. Im für uns unangenehmsten Moment zeigte Mortensen aber eine gute Leistung, Helga eher das Gegenteil, und das war es auch gewesen. Das letzte Spiel ging neuerlich verloren und so blieb nur der letzte Gruppenplatz als logisches Ergebnis über. Auch hier zeigt ein Blick auf die Durchschnittswerte, dass ein 3. Platz das angemessene Ergebnis gewesen wäre, fürs Viertelfinale aber hätte es eine Sonderleistung sein müssen.

Viertelfinale:
Im Viertelfinale, auch hier wurde auf 25 Points mit Nachstoß gespielt, die dämliche Art des Satzsystems der letzten Jahre ist im Damenbillard endlich abgeschafft, trafen nun sechs Asiatinnen auf zwei Europäerinnen, darunter die vermeintlich klare Favoritin aus den Niederlanden.
In einem an sportlichen Überraschungen, ja Sensationen bereits reichen Turnier erfolgte nun die Krönung, denn alle vier Japanerinnen gewannen und sorgten für eine noch nie da gewesene Konstellation im Halbfinale. Das bedeutet auch, dass die zweite Topfavoritin neben der bereits gescheiterten Orie Hida, also Klompenhouwer, ebenfalls aus dem Rennen war. Der Eindruck, den man durch die Übertragungen aus der Gruppenphase im Internet gewinnen konnte, bestätigte sich neuerlich. Klompenhouwer spielte fahrig und ohne Selbstvertrauen. Es erweckte beinahe den Eindruck, als wollte sie jede Partie nur so schnell wie möglich hinter sich bringen.
Auch für die gute Wettkampfspielerin Karina Jetten war die Sache nun gelaufen, das Spielglück, das ihr in der Gruppenphase mit zwei Siegen mit je einem Punkt Vorsprung noch treu zur Seite gestanden hatte, war weiter gezogen. Die beiden Koreanerinnen hatten überhaupt keine Chance, auch nicht Park Su Ah, und die ist immerhin die Gewinnerin einer Bronzemedaille 2008. Das japanische Märchen vom perfekten Halbfinale war damit Wirklichkeit geworden, und das auch noch ohne Orie Hida!

Finale:
Der Finaltag mit Vorschlussrunde und Endspiel brachte sehr guten Billardsport und vor allem ein tolles Finale. Das Publikum war wie an allen Tagen zahlreich zugegen und damit war für eine schöne Atmosphäre gesorgt, denn jeder gelungene Punkt wurde akklamiert. Das war bereits in der Gruppenphase so gewesen, die Japaner zeigten sich als absolut faire Zuseher. Die gut gekleideten Schiedsrichter beiderlei Geschlechts walteten umsichtig ihres Amtes, auch da blieben keine Wünsche offen. Japan hat sich mit dieser gelungenen Veranstaltung wieder auf die Billardlandkarte gebracht. Bleibt noch zu hoffen, dass es zu einem organisatorischen Neustart kommt, auch für die männlichen Billardspieler. So ein Weltcupturnier oder eine Weltmeisterschaft könnten hier wahre Wunder wirken. (Bild: kozoom - www.kozoom.com)

Spiele MP Points Aufn. GD BED HS
  1. Higashiuchi Natsumi (Japan) 6 10 147 195 0,753 1,315 6
  2. Nishimoto Yuko (Japan) 6 8 130 168 0,773 1,086 5
  3. Fukumoto Ayaka (Japan) 5 6 114 165 0,690 0,833 5
  3. Hayashi Namiko (Japan) 5 6 102 161 0,633 1,136 6
  5. Park Su Ah (Korea) 4 6 91 151 0,602 0,892 6
  6. Jetten Karina (Niederlande) 4 6 92 164 0,560 0,781 6
  7. Klompenhouwer T. (Niederlande) 4 5 96 139 0,690 0,862 4
  8. Park Ji Hyun (Korea) 4 5 91 177 0,514 0,641 5
  9. Hida Orie (Japan) 3 2 62 75 0,826 1,190 6
10. Degener Gülsen (Türkei) 3 2 60 108 0,555 0,833 3
11. Hida Kazumi (Japan) 3 2 54 118 0,457 0,781 3
12. Mortensen M. (Dänemark 3 2 47 115 0,408 0,568 4
13. Park Ester (USA) 3 2 50 105 0,476 0,568 4
14. Mitterböck Helga (Österreich) 3 0 52 106 0,490 --- 4
15. Van Hamond M. (Niederlande) 3 0 51 123 0,414 --- 4
16. Oh Kyung Hui (Korea) 3 0 40 128 0,390 --- 3

Turnierdurchschnitt: 1279 : 2198 = 0,581. Dieser Turnierdurchschnitt stellt eine geringfügige Verbesserung des Wertes von 2006 (2. WM) dar, als, ebenfalls aus 31 Spielen, ein gemeinsamer Durchschnitt von 0,567 erarbeitet werden konnte. Auch im Bereich der Einzelleistungen ist eine neue Bestmarke aufgestellt worden. Im Finale zeigte Higashiuchi mit 1,315 die bislang stärkste Partie im Rahmen einer WM. Die eingangs erwähnten Leistungen von Orie Hida stammen aus einem wohl internationalen Turnier, aber nicht aus einer Weltmeisterschaft.
Peter Stöger

     

 

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